Montag, 4. Juni 2012

Zeit


Ich bin ein grauer Fels, liege am Strand. Ein Liebespaar läuft durch den feinen, weißen Sand an mir vorbei. Das Knistern zwischen beiden ist auch für mich deutlich zu spüren. Plötzlich lacht sie auf, rennt ins seichte Wasser. Wellen umspülen sanft ihre Fesseln, während sie sich bückt, mit den Händen das kostbare Nass zu fassen versucht und ihn damit besprengt. Er lässt sich auf das Spiel ein, sie toben ungezwungen, ausgelassen vor mir herum bis sie kaum noch Kraft haben sich auf den Beinen zu halten. Dennoch – er trägt sie, küsst salzige Tropfen auf ihrer Haut. In meinem Rücken finden sie Schutz vor den Stürmen die vom Meer her aufziehen.

Ich bin ein grauer Fels, liege am Strand. Die Jahre haben mich mit üppig grüner Haarpracht aus Moos und Sträuchern beschenkt. Aus zwei wurden viele, die nun vor mir her gehen, vergnügt spielen und die kühle Erfrischung an heißen Tagen genießen. Füße hinterlassen nicht nur Spuren im Sand, nein manchmal klettern die Mutigeren auch an mir entlang, setzen sich auf mein Haupt des schönen Ausblicks wegen.
Häuser aus hellem Sandstein schmiegen sich dicht an mich.

Ich bin ein grauer Fels, liege am Strand. Ein Teil meiner dereinst imposanten Erscheinung hat sich mit Hilfe von Wind und Wasser mit dem samtenen Ufer vereint. Mein Haar hat etwas von seiner Pracht eingebüßt, aber noch ist etwas Grün vorhanden. Zu viele sorgten für ein Ungleich-
gewicht. Die fröhlich bunten Jollen und Schlauchboote auf dem Meer sind verschwunden, Bauwerke, die sich einst dicht an dicht drängten und kaum Raum für Gassen ließen, zu Staub zerfallen. Die See spült Muscheln, vereinzelt Seesterne an Land. Etwas jedoch ist geblieben und vielleicht kommt bald erneut ein Paar hier vorbei, schlendert Hand in Hand mit nackten Füßen in feuchtwarmem Sand. Spürt und erlebt was Zeit überdauert.

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