Donnerstag, 19. September 2013

Schockschwerenot

Hallöle Ihr Lieben,

wie ihr ja wisst befinde ich mich diese Woche im Praktikum im Wohnbereich. Ich weiss gar nicht ob ich euch all die Eindrücke mit gutem Gewissen, und ohne euch Angst zu machen erzählen soll.
Es ist natürlich schlimm zu sehen wenn Hüllen zerfallen und man soll ja bloß nicht denken, der betreffende Mensch bekommt das nicht selbst mit, außer natürlich er leidet stark unter Demenz.
Aber zuzusehen wie diese zerbrechlichen Hüllen dann eilig von einer Seite auf die nächste gerollt werden, nur weil man ja keine Zeit hat, noch andre gewaschen werden wollen, das war schon ganz schön hart. Zusehen zu müssen wie man lapidar einmal an bestimmten verunreinigten Stellen wischte, aber noch Flecken auf der Haut blieben, das hat mich schon ein bisschen wütend gemacht. Dann auch noch die Nahrung aufzwingen - da spiele ich gewiss nicht mit.
Und warum bitte dauert es zwei einhalb Tage bis der Arzt wegen eines verstopften Kathethers anrückt? Verdienen die nichts mehr an Hausbesuchen?
Eines ist jetzt schonmal vollkommen klar: Wenn ich bei der Sache bleibe, dann mach ich es auf meine gewohnte Art: Liebevoll jeden Menschen genau so annehmen wie er ist. Und sauber arbeiten, auch wenn es fünf Minuten mehr Zeit erfordert. Ich rauche ja nicht und muss nicht ständig raus laufen. Auch dem Kaffee kann ich nicht besonders viel abgewinnen und sitzen kann ich genug. Die Zeit investiere ich dann mal lieber in den Mensch, der ja nicht ohne Grund in Pflege ist.
Gelegenheit dazu werde ich jedenfalls haben, denn heute wurde mir von der Einrichtung für die ich arbeite ein Job für ein Jahr angeboten. Hab vorläufig mal zugesagt.
Obwohl meine Ansichten von Pflege und die gängige Praxis so ziemlich auseinander driften.

Wir werden sehen und ich werde berichten!
Habt noch eine schöne Woche!
N.

Montag, 9. September 2013

Blick in die nächste Woche

Hallo ihr Lieben,

momentan bin ich ja in der Betreuung der Tagesgäste eingesetzt. Das klappt hervorragend und macht darüber hinaus auch sehr viel Freude! In der Einrichtung gibt es allerdings auch gelegentlich Engpässe und man wird eben schnell woanders hin geschickt.
Heute mittag durfte ich dann im Wohnbereich Essen anreichen und nebenbei einen Blick auf das werfen, was mich nächste Woche erwartet. Auch wenn ich zuversichtlich bin,  denke ich dass das eine harte Nummer werden wird. Ich mag so ungern Menschen etwas aufzwingen, aber manche muss man beständig animieren. Wo lege ich für mich die Grenze fest zwischen Animation und Zwang? Wie gehe ich damit um angeschrien und geschlagen zu werden? Kann ich das von mir fern halten? Fragen über Fragen.
Es wird sicher sehr spannend werden, aber bis dahin werde ich die Tage in der Betreuung genießen und so viel Konversation als möglich betreiben. Lustigerweise kommen nämlich 4 der Tagesgäste aus unserem Ort, einer sogar aus der selben Straße.

Noch einen wunderschönen Feierabend euch allen!

Donnerstag, 5. September 2013

In guten, wie in schlechten Zeiten....

.. die nachhaltige Bedeutung dieser Worte kann ich jeden Tag erleben und belegen. Denn sobald die schweren Tage beginnen wird der Mensch an und für sich in manchen Fällen lästig und landet nicht selten in einer Einrichtung wie in der, in der ich zur Zeit arbeite.
Doch es gibt auch Funken der Hoffnung. Spärlich zwar aber er ist da, dieser Funke.
Ein älterer Herr, der selbst gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe ist. Er kommt täglich in dem Heim vorbei. Sommer wie Winter, Wochentag wie Feiertag, Mittags und am Abend wieder und reicht seiner Frau das Essen an. Sie braucht sehr lange zum Essen, aber er geht so liebevoll mit ihr um, dass es eine Freude ist hinzusehen. Ich wollte es gäbe mehr Menschen wie ihn.
Darum widme ich ihm auch heute zwei Songs aus Romeo et Juliette, der Liebesgeschichte seid Jahrhunderten überhaupt:
 Les rois du monde



Aimer


....
 Aimer c'est brûler ses nuits
Aimer c'est payer le prix
Et donner un sens à sa vie
Aimer c'est brûler ses nuits



 Habt alle noch einen schönen Abend!

Mittwoch, 4. September 2013

Dritter Tag - Routine?

Auch heute Morgen lief natürlich nichts wie es sein soll. Habe wieder neue Menschen kennengelernt, wurde in einen anderen Bereich geschickt. Sei's drum, bin ja sehr flexibel. Zwischendrin die 'Kurzinfo's' zu den Gästen und Bewohnern. Dann Aufregung - einer der Tagesgäste ist verschwunden - liebte schon immer ausgedehnte Wanderungen. Man schickte zwei Betreuerinnen nach - keine Spur des Mannes. Letzlich konnte nur noch die Polizei informiert werden, aber bis zum Nachmittag blieb der Herr verschwunden. Ich kann es ihm überhaupt nicht verübeln!
Heute half ich wieder die älteren Menschen in den Beschäftigungsraum zu bringen. Es war mal wieder singen angesagt. Nachdem ich nun herausgefunden habe wie dort 'singen' funktioniert werde ich mich erst Recht weiterhin weigern!
Erst sammelt man die Bewohner, bis sie sich beinah stapeln. Dann drückt man jedem ein selbstgemachtes Liederbuch in die Hand. Einige können selbiges nicht mal alleine richtig halten. Dann ertönen Kommandos: 'Die Nummer eins bitte!' Dann ertönt aus dem Cd -Player hinter der Person, die an diesem Tag für die 'Beschäftigung' verantwortlich ist, eine klare schöne Stimme, die die Lieder singt. Einige der älteren Damen und Herren singen mit, der Großteil der Menschen sitzt jedoch regungslos da und hält irgendwann ein Nickerchen.
Wenn die Musik im CD-Spieler verstummt erfolgt ein weiteres Kommando: 'Die Nummer zwei bitte'... Dann gehts weiter mit der Musik aus der Dose. Manchmal bewegt der ein- oder andere Bewohner die Lippen lautlos zur Musik, während andere sich abmühen die Seite umzublättern und mangels Hilfe irgendwann aufgeben. Eine resolute Dame, ehemals Lehrerin, gefiel mir heute sehr gut!
'Die Nummer fünf bitte!'.... Besagte Dame wütend und sehr bestimmt das Liederheft auf den Boden geknallt: 'Oder aber auch nicht!!' Dann die Arme verschränkt und sich ebenfalls angeschickt ein Nickerchen zu machen.
Ach ja, wohl mangels Alternativen wurde der Singkreis nach dem Mittagessen nochmal wiederholt.
Von der oben genannten Ausnahme abgesehen hatten die Bewohner und Gäste jedoch einen ruhigen Tag, viel weniger Drang nach draußen zu gehen. War wohl zu warm.
Ich trinke zu wenig dort merke ich. Gar nicht gut. Während ich den älteren Herrschaften ständig etwas aufschwatze und einschenke, denke ich so gar nicht an mich. Das Ende vom Lied: Kopfschmerzen und unterschwellige Übellaunigkeit. Gut könnte auch an etwas anderem liegen. Praktikanten versucht man ja bekanntlich gern die schwierigeren Fälle zu überantworten. Jene, die gern weglaufen, gern mal den Gang zur Toilette vergessen, langsam gehen, etc, etc. Das Problem ist, nur, dass mich diese Menschen erst ein bis zwei Mal gesehen haben, mich nicht kennen und auch kein Vertrauen zu mir haben. Also wurde ich heute mal von einer Dame gekratzt und eine hat nach mir gehauen. Nein, ich hab nichts getan, wollte sie lediglich zum Gehen auffordern. Aber Dank der Schwellenängste der Bewohnerinnen bin ich nun um ein paar Kratzer und blaue Flecke reicher. Ende vom Lied war, dass die 'Alteingesessenen' dann doch selbst gehen mussten und mir dann entschuldigend erklärten was ich eigentlich schon vorher gesagt hab. Egal - auch sie lernen ja durch Erfahrung. Obwohl - sowas zieht sich eigentlich bisher durch all meine Praktika.
Es wird also weiter spannend bleiben!

Viele, liebe Grüße und einen tollen Feierabend für euch alle!
N.

Dienstag, 3. September 2013

Zweiter Tag - und aus war's mit der Beschaulichkeit

Jaa, heute Morgen kam direkt jemand auf mich zu wegen Ausfällen und ob es mir etwas ausmachen würde den Raum für den ich angedacht bin momentan allein zu managen. Machte es nicht, bin ja da um zu lernen. Verantwortung habe ich auch früher schon übernommen.
Das hat ganz schön rein gehauen, da man nicht nur Essen richten, zwischendurch wieder Stadt, Land, Fluss Unterhaltungen, Bewohner abholen oder auch mal wieder einfangen muss. Eine Stunde nach Mittag war ich durch und wäre doch wirklich gern unter die Dusche.
Die Leute sind still, so still. An und für sich bin ich ein kommunikativer Typ, darum mag ich es auch nicht leiden jeden Wurm einzeln aus der Nase ziehen zu müssen.
Hörgeräte werden nicht angelegt, so dass man von seinem Gegenüber nicht verstanden wird. Demenzpatienten unterhalten mit ihren beständigen Wiederholungen ihre Tischnachbarn. Hat beinah etwas andächtiges:
'Ich sags meiner Mutter...' die Vorsprecherin, die lustigerweis auch noch am Kopfende des Tisches sitzt. Unisono der Rest: 'Vadder war ja nich da, der war im Krieg'.
Nach den Mahlzeiten ist Beschäftigung angesagt. Man trat tatsächlich an mich heran, ob ich mit den Bewohnern singen würd. Alter Schwede, die können von mir alles haben, aber ich singe da nicht. Bei der Musik allein, die in dem Bau den ganzen Tag nebenher dudelt rollen sich mir die Fußnägel. Das aber auch noch 'singen' sollen natürlich im großen Kreis - never!
Da mach ich lieber von vier Gruppen Geschirr oder wasche Stühle ab. Ist nicht die Art Pflege, die ich mir vorgestellt habe.
Zumal dann wirklich von unten und aus dem Wohnhaus die Bewohner im Andachtsraum geparkt werden, ja Hauptsache Beschäftigung.
Einzeln auf Menschen eingehen? Fehlanzeige. Menschen die Essen angereicht bekommen müssen, werden so nebenher eben gefüttert.
Kein Wunder, dass mir da das große Schweigen entgegenschlägt.
Aber als Praktikantin hat man's lustig. Während man von einer Seite gebeten wird mit Bewohnern Toilettengänge zu erledigen, bekommt man's von anderer Seite untersagt. Kompetenzen eben. Und jeder der an einem vorbei geht, wenn man gerade einen Auftrag erledigen möcht, drückt einem noch was zusätzlich auf. Manchmal wird man in völlig unterschiedliche Richtungen geschickt.
Noch unterschiedlicher die Informationen über Bewohner zum tatsächlich Erlebten. Wir haben in unserer Tischgruppe nur einen einzigen Mann, der sich angeblich furchtbar gern unterhält. Ich erlebe ihn eher depressiv, hat heute sogar geweint, dabei soll er doch ausgesprochen gesellig sein.
Geht man durch die Gruppen sieht man viele Menschen auf Sofa's liegen, die an jeder Ecke stehen. Daher mein Eindruck von heute: Schlaf und Schweigen.

Schlaft fein,
N.

Montag, 2. September 2013

Ich sags meiner Mutter - first Impressions

Da war er nun, der erste Tag im Altenheim.  Erst steht man ziemlich blöd rum, weil man sich gern nützlich machen möcht, aber nichtmal weiß wo genau die Teller und Tassen, oder auch das Besteck stehn. Es hat den Touch eines grenzdebil lächelnden Eichhörnchens, dem man hier und da ein paar Nüsschen hinwirft, die es dankbar aufnimmt und wegschließt. Natürlich hat jede Kleingruppe ihr eigenes und nur für sie zum Gebrauch bestimmtes Geschirr.  Wenigstens ein bisschen nützlich machen konnte ich mich dann irgendwann doch.
Wahrscheinlich wird mich, wenn es tatsächlich wie angekündigt so ist, dass man jeden Morgen beim Frühstück Stadt, Land, Fluss, in etwas gekürzter Form spielt. in genau diesem Spiel so bald niemand mehr schlagen können. Überhaupt find ich das eine sehr, sehr nervige Angelegenheit beim Frühstück.
Sobald den Bewohnern nämlich was einfällt, das passt rufen sie's über den Tisch - ob dabei noch Essen halb zerkaut den Weg aus ihrem Mund über die Butter findet... nun ja. ich sehe ja ein, dass Gehirnjogging wichtig ist, aber beim Essen - mei da hätte ich mich an Stelle der Bewohner schonmal mächtig beschwert.
Die Attraktion der Einrichtung ist ein Mini Fitness Center mit echt gutem Gerät. Eine total tolle Sache um die Mobilität der Bewohner zu erhalten, die auch absolut angenommen und beliebt ist, aber nur zwei Mal pro Woche zugänglich und dann natürlich total überlaufen ist.
Viele der Bewohner karren sich selbst bloss noch von Mahlzeit zu Mahlzeit und wollen zwischendrin ein ruhiges Plätzchen zum Nickerchen machen. Dann soll man Animateur spielen und sie auffordern... heute war eine der Bewohnerinnen bockig, das fand ich sehr lustig weil ich nämlich der Ansicht bin, man sollte schon die Wünsche der Menschen berücksichtigen.
Die Struktur in der Tagespflege ist nervend eng geschnitten. Zum Frühstücken bleibt noch die meiste Zeit, da alle erst nacheinander eintreffen, manche auch erst gegen 9. Aber Mittagessen gibts Punkt 12 und das wird auch recht flott abgehakt, denn spätestens um drei gibts wieder Kaffee und Kuchen. Hat den Nachteil, dass der Kaffe dann um viere, wenn man so richtig Lust drauf hat schon wieder kalt ist und auch kein frischer gekocht wird.
Aber hey, da wartet ja auch schon der Bus, der die Leute wieder nach Hause bringt. Viele können das gar nicht abwarten da raus zu kommen, fragen immer wieder ob der Fahrer sie schon aufgerufen hat.
Das Thema Demenz rollt in großen Schritten auf mich zu. Habe mir sagen lassen, dass erkrankte Menschen sogar Schwierigkeiten mit ihrem Spiegelbild, oder Photos bekommen können, je nachdem in welcher Phase sie stecken. Sie sehen sich dann so wie sie als Junge Frau, oder als Kind waren und erkennen dann in diesen Phasen manchmal auch enge Angehörige nicht wieder.
'Ich sags meiner Mutter' ist ein Satz, den eine der Bewohnerinnen immer wieder wiederholt, auch wenn er gar nicht unbedingt passt. Im Dialog erzählt sie sehr respektvoll und liebevoll von ihrer Mutter, das fand ich sehr, sehr schön.
Mein vorläufiges Fazit: Also ich möcht nicht in einem Altenheim untergebracht sein, auch wenn es so wie dieses hier noch so sauber überall blitzt und blinkt. Ob ich dort über einen längeren Zeitraum gut arbeiten kann? Das werd ich noch herausfinden.

Viele, liebe Grüße und noch einen tollen Start in die neue Woche!
N.